Carl Wilhelm Ludwig Bianchi (1783–1804/05):
Traugott Maximilian Eberwein. Kreidezeichnung, vermutlich 1803

(In der Literatur zumeist: Max Eberwein). – Wichtigster Vertreter der Musikerfamilie.
Am 27. Oktober 1775 in Weimar geboren , erfolgte Traugott Maximilian Eberweins erste musikalische Ausbildung zu einem universell einsetzbaren Instrumentalisten durch den Vater,
dem Herzoglichen Hof- und Stadtmusikus
Alexander Bartholomäus Eberwein (1751–1811),
gemäß der Zunftkonventionen der Stadtpfeiferei in Weimar.

Schon als Kind kam er so in der Stadt und bei Hof dienstlich zum Einsatz: Bei Vorstellungen des herzoglichen Hoftheaters musizierte er bereits als Siebenjähriger an der Pauke. 1791 schloss der Vater die Lehre seines Sohnes ab; er wurde
„in den löblichen Gesellenstand der Instrumentalisten auf- und angenommen“ (Julius Eberwein, 1802–1870).

Zielten Eberweins Bemühungen anfangs auf eine Verbesserung instrumentaler Fähigkeiten,
besonders im Violinspiel, schienen auch erste Kompositionsversuche Erfolge zu versprechen.
Die erkannte Begabung wurde von der Obrigkeit gefördert und Eberwein konnte einige für seine weitere Entwicklung richtungweisende Bildungsreisen unternehmen. Studien in Frankfurt am Main (Musiktheorie bei dem Opernkomponisten Friedrich Ludwig Aemilius Kunzen, 1761–1817) und Mainz (Violinspiel bei dem dortigen Konzertmeister Ernst Johann Christoph Schick, 1756–1815) erweiterten den Horizont des jungen Musikers. Im Verlauf dieser Reise besuchte er auch
Johann Christian Eberwein (1752–1834) in Homburg. Dort hörte ihn Fürst Ludwig Friedrich II. von Schwarzburg-Rudolstadt (1767–1793–1807) bei einem Konzert und lud ihn daraufhin in seine Residenz ein. Eberwein kehrte zunächst jedoch nach Weimar zurück, wo er, eingeengt durch die Beschränkungen des Stadtmusikerstandes, bald keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr sah.

Er ging nach Rudolstadt, wo er als Violinist in die Hofkapelle aufgenommen wurde und 1797 den Titel eines Hofmusikers erhielt. Durch die Eheschließung mit der Tochter des einflussreichen, aus Italien stammenden Rudolstädter Kaufmanns Andrea Giorgio Maria Bianchi (1746–1814), hatte Eberwein 1803/04 Gelegenheit, eine Studienreise zu wichtigen Zentren der Musikpflege in Italien
zu unternehmen. Fast ein Jahr verbrachte er in Rom und Neapel. In Rom schrieb er Streichquartette, die er als Opus 1 in den Druck gab.
In Neapel nahm er Unterricht bei Fedele Fenaroli (1730–1818) am Conservatorio Santa Maria
di Loreto. Fenaroli war als strenger Kontrapunktiker anerkannt; zu seinen Schülern zählten auch Domenico Cimarosa (1749–1801), Giuseppe Saverio Raffaele Mercadante (1795–1870) und Vincenzo Lavigna (1776–1836), der spätere Lehrer Giuseppe Verdis (1813–1901).

Sein Rückweg führte gemäß dem üblichen Muster musikalischer Bildungsreisen in dieser Zeit
über Wien: Der obligatorische Besuch bei Joseph Haydn (1732–1809), dem Eberwein seine Streichquartette zur Prüfung vorlegte und dabei Anerkennung und Wertschätzung fand, prägte ihn nachhaltig. Haydn soll ihm sogar die Bewerbung auf die Kapellmeisterstelle am Wiener Stephansdom als Nachfolger Johann Georg Albrechtsbergers (1736–1809) empfohlen haben, was Eberwein jedoch aus konfessionellen Gründen zurückwies.
In dieser Zeit entstand auch die erste Verbindung zu Ludwig van Beethoven (1770–1827)
sowie zu Antonio Salieri (1750–1825), die er bei einer zweiten Wienreise 1817 erneuern konnte.

1805 hielt er sich einige Monate in Berlin auf, wo er den Austausch mit Vertretern der
„Zweiten Berliner Liederschule“, mit Carl Friedrich Zelter (1758–1832), Friedrich
Heinrich Himmel (1756–1814) und auch mit Johann Ludwig Dussek (1760–1812) pflegte.

Noch bevor Eberwein in Rudolstadt 1817 zum Hofkapelldirektor ernannt wurde, übernahm
er bereits seit 1809 als Hofmusiker und seit 1810 als Kammermusiker Leitungsfunktionen
(siehe
Johann Christian Eberwein).

Sein Wirken spiegelt die
„Weltoffenheit des bürgerlichen Zeitalters, das Bedürfnis nach allseitiger Kommunikation, das wachsende Selbstbewußtsein“ (Peter Gülke) einer neu entstehenden Musikkultur wider, die das bisher ausschließlich auf den Hof fixierte Musikleben allmählich ablöste. Im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt waren die Bedingungen nicht ungünstig, musikalisch fortschrittliche Pläne zu entfalten. Bei der Entwicklung eines zeitgemäßen, bürgerlich geprägten Konzertwesens war es Eberwein, der als Organisator wie als Dirigent wegweisend wirkte. Rudolstadt kam für seine Möglichkeiten erstaunlich früh mit wichtigen musikalischen Neuerungen in Berührung; insbesondere bildete sich die kleine Residenzstadt durch Eberweins Aktivitäten zu einem Vorposten der Beethoven-Rezeption heraus (1. Sinfonie: 1805, Sinfonien 2–6: 1812, IX. Sinfonie: bereits sechs Monate nach Erscheinen der gedruckten Ausgabe, Dezember 1826).

Ein Gastspiel von Nicolò Paganini (1782–1840) im Jahr 1829 wurde zu einem der glanzvollen Höhepunkte der Konzertdirektion Eberweins: Nach einem
„Großen Instrumental- und Vocal-Conzert“ soll Paganini in Begeisterung für die Leistungen der Rudolstädter Kapelle Eberwein
vor dem Publikum dankbar umarmt haben.


Caecilie Kirchner (1809–1867):
Maskenball im Rittersaal. Aquarell, 1. Hälfte 19. Jahrhundert

Auch die Entwicklung des musikalischen Theaters in Rudolstadt ist durch Eberwein nachhaltig gefördert worden: Bereits ein Jahr nach der Berliner Uraufführung kam im Herbst 1822 Carl Maria von Webers (1786–1826) Der Freischütz mehrfach in Rudolstadt auf die Bühne und 1828 wurde in dem kleinen Rudolstädter Theater Daniel François Esprit Aubers (1782–1871) Oper Die Stumme von Portici erstmals in Deutschland aufgeführt.

Als Kapelldirektor galten Eberweins Anstrengungen primär der Sicherung einer guten personellen Konstitution der Hofkapelle und der Verbesserung der materiellen Situation ihrer Mitglieder.
1828 schlug er die Gründung einer Witwen- und Waisenkasse für die Angehörigen der Musiker vor, die im Jahr darauf eingerichtet wurde.

Sein musikpädagogisches Engagement und die Förderung des musikalischen Nachwuchses verweist auch auf eine generell festzustellende erzieherische Akzentuierung seines Wirkens, was z.T. auf den Einfluss der Rudolstädter Freimaurerloge „Günther zum stehenden Löwen“ zurückzuführen ist,
in der Eberwein aktiv tätig war.
Mit seinem Tod am 2. Dezember 1831 verlor die schwarzburgische Residenzstadt Rudolstadt
die letzte bedeutende Musikerpersönlichkeit.

Als Komponist hinterließ er mit seinen fast dreihundert Werken ein vielseitiges Schaffen:
6 Singspiele (u.a.
Der Jahrmarkt zu Plundersweilern und Die Fischerin von Goethe),
5 Opern (u.a.
Claudine von Villa Bella von Goethe, Das befreite Jerusalem und Ferdusi von Lichtenstein), zahlreiche Schauspielmusiken (darunter Die Jungfrau von Orleans von Schiller und Das Leben ein Traum von Calderón) und Konzertouvertüren, Ballette, über 70 Zwischenaktmusiken, 3 Sinfonien, Konzertmusiken für fast alle Orchesterinstrumente, geistliche und weltliche Chorwerke und Kantaten, Oratorien, mehrfach das Te Deum, eine große Messe, zahlreiche Lieder (mehrere Liederzyklen) und Kammermusik.


T. M. Eberwein:
Hymne auf das Trinitatisfest: „Ew’ ger, der zur sündgen Erde“, 81stes Werck, (1823), MEV II, 4. Autographe Partitur, Schlussfuge

Die Werke wurden zu seinen Lebzeiten, außer in Rudolstadt u.a. in Sondershausen, Erfurt, Hildburghausen, Meiningen, Weimar, Dessau, Leipzig, Dresden, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Darmstadt, Regensburg, München, Stuttgart, Berlin, Amsterdam und Wien aufgeführt.

Im Druck erschienen Lieder, Orchester- und Kammermusik. Populär wurden seine Kommerslieder nach Texten von Goethe:
Tischlied: „Mich ergreift ich weiß nicht wie“ (1810) und Ergo bibamus: „Hier sind wir versammelt“ (1813) und Schiller: Punschlied: „Vier Elemente innig gesellt“ (1809). Albert Gottlieb Methfessel (1785–1869) veröffentlichte sie in seinem berühmten Allgemeinen Commers- und Liederbuch (1818). In vielen Liederbüchern sind sie bis heute zu finden.


T. M. Eberwein:
Ergo bibamus!: „Hier sind wir versammelt“ (Goethe) MEV VIII, 42 (1813). Erstabdruck, 1818

In seiner Musik nahm Eberwein auf der Grundlage der Tradition Strömungen seiner Zeit wahr und fand ganz eigenständige Formulierungen in der Übergangsphase von der Klassik zur Romantik.

Literaturauswahl:
Peter Larsen: Traugott Maximilian Eberwein – Komponist und Rudolstädter Hofkapelldirektor der Goethezeit.– In: Musik am Rudolstädter Hof. Die Entwicklung der Hofkapelle vom 17. Jahrhundert bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Hrsg. v. Thüringer Landesmuseum Heidecksburg. Red. v. Ute Omonsky. Rudolstadt 1997 (= Beitr. z. schwarzburg. Kunst- u. Kulturgesch. Bd. 6), S. 179–208
Peter Larsen:
Traugott Maximilian Eberwein (1775–1831). Hofkapelldirektor und Komponist in Rudolstadt. Mit einem systematischen Werkverzeichnis und Quellenkatalog (MEV).– Göttingen, London 1999 (= Hainholz Musikwissenschaft, Bd. 2)(= Phil. Diss. TU-Berlin 1998). 515 Seiten
Peter Larsen:
Schauspielmusik am fürstlichen Hoftheater in Rudolstadt 1816–1831. Zur „Macbeth-Ouvertüre“ von Traugott Maximilian Eberwein und zur Aufführungspraxis seiner Zwischenaktmusiken.– In: Musik zu Shakespeare-Inszenierungen. Kleine Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte. H. 40/41 (1999), hrsg. v. Arne Langer und Susanne Oschmann, Berlin 1999
Peter Larsen:
Artikel „Eberwein, Familie“.– In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik (MGG). Begr. v. Friedrich Blume. 2. neubearb. Aufl. hrsg. v. Ludwig Finscher. Personenteil, Bd. 6. Kassel, Basel, usw. 2001, Sp. 33–36
Peter Larsen:
Die Musikautographen des Komponisten und Rudolstädter Hofkapelldirektors Traugott Maximilian Eberwein (1775–1831) im Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt.
In: Beiträge zur musikalischen Quellenforschung. Protokollband 1998, Forschungs- und Gedenkstätte Heinrich-Schütz-Haus Bad Köstritz. Bad Köstritz 2002


Kurzbeschreibung der musikwissenschaftlichen Dissertation / abstract als pdf-Download
Promotionsvortrag, 27. Mai 1998 als pdf-Download

Wohn- und Sterbehaus in Rudolstadt

Gedenkstein in Rudolstadt

Ein Eberwein in Italien


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Hintergrund:
T. M. Eberwein:
Dritte Sinfonie, op. 84 MEV IX, 3.
Autographe Partitur, I. Satz